Versteckte Mängel und andere Irrtümer

Erschienen im „Der SanierungsVorsprung“, April/Mai 2024, von Katharina Orthmann, LL.M.

Umfang der Haftung des Auftragnehmers nach Abnahme

Tritt ein Mangel nach der Abnahme auf, sieht sich der Auftraggeber regelmäßig einer Reihe von Argumenten ausgesetzt, mit denen sich der Unternehmer einer vermeintlichen Verantwortlichkeit entziehen möchte. Dieser Beitrag versucht, „Licht“ ins Dunkel der verschiedenen Argumente zu bringen und die einzelnen Einwände der Parteien systematisch zu ordnen. Konkret wird das auch an verschiedenen Fallbeispielen deutlich, die den Umfang der Haftung des Auftragnehmers nach der Abnahme zeigen.

Zu Beginn lohnt ein Blick auf die häufigsten Argumente, mit denen der Unternehmer versucht, sich einer vermeintlichen Verantwortung zu entziehen:

  • Erst müsse der Nachweis erfolgen, dass ein vom Unternehmer verschuldeter Mangel vorliegt;
  • die Wartung sei nicht oder mangelhaft erfolgt;
  • andere Unternehmer hätten an dem Gewerk Veränderungen vorgenommen, damit sei die Gewährleistung erloschen, oder aber
  • die Gewährleistungszeit ist abgelaufen.

Bei letzterem Einwand argumentiert der Auftraggeber regelmäßig damit, dass ein versteckter Mangel vorläge und daher die abgelaufene Gewährleistungsfrist keine Rolle spiele.

Fallbeispiele

Fall 1: Bauherr und Unternehmer vereinbaren eine Gewährleistungszeit von fünf Jahren. Nach sechs Jahren tritt ein Wasserschaden ein. Der Unternehmer lehnt eine Verantwortung mit dem Argument ab, die Gewährleistungszeit sei abgelaufen. Der Bauherr meint, der Unternehmer würde haften, weil es sich bei der Ursache des Mangels um einen versteckten Mangel handeln würde.

Fall 2: Ein Bauherr beauftragt ein Heizungsunternehmen. Nach zwei Jahren moniert der Bauherr, dass die Heizung nicht mehr funktioniert. Der Unternehmer verweist auf eine unterlassene Wartung und lehnt eine Nachbesserung ab.

Fall 3: Der Unternehmer weiß, dass die Fenster nicht entsprechend den Vereinbarungen des Vertrags, sondern minderwertig isoliert wurden. Er klärt den Auftraggeber nicht auf. Sechs Jahre nach der Abnahme bemerkt der Auftraggeber den Mangel. Der Unternehmer verweist auf den Ablauf der Gewährleistungszeit.

Fall 4: Der Bauherr stellt einen Mangel fest und rügt diesen gegenüber zwei Unternehmern, weil er nicht weiß, wer verantwortlich ist. Unternehmer A schaut sich den Bereich an, unternimmt Nachbesserungen, die auch das Gewerk des Unternehmers B betreffen. Der Mangel wird dadurch nicht behoben. Der Unternehmer B lehnt eine Verantwortung anschießend ab mit dem Argument, der Unternehmer A habe Veränderungen an seinem Gewerk vorgenommen und damit sei die Gewährleistung erloschen.

Um diese Fallbeispiele lösen zu können, werden zunächst die Begrifflichkeiten Mangel, Gewährleistungszeit, Wartung und Instandsetzung sowie arglistiges Verschweigen näher erläutert, bevor auf die einzelnen Fälle eingegangen wird.

Begriff des Mangels

Ein (Sach-)Mangel im Sinne von § 633 BGB liegt vor, wenn die Ist-Beschaffenheit von der vereinbarten (oder verkehrsüblichen) Soll-Beschaffenheit abweicht. Dies gilt auch dann, wenn die Abweichung nicht zu einer Beeinträchtigung des Werks oder der Gebrauchstauglichkeit des Werkes führt.

Eine Beschaffenheitsvereinbarung legt die Beschaffenheit fest, die ein Werk nach der Fertigstellung vorweisen soll. Wird keine Vereinbarung über die Beschaffenheit zwischen den Parteien getroffen, muss das Werk die verkehrsübliche Beschaffenheit vorweisen und nach allgemein anerkannten Regeln der Technik hergestellt werden.

Wartung und Instandsetzung

Die hergestellten Leistungen unterliegen regelmäßig dem Verschleiß bzw. Abnutzung. Um die unvermeidbare Abnutzung bzw. den natürlichen Verschleiß zu verzögern, müssen Werke regelmäßig gewartet werden, Die Wartung soll die Folgen der Abnutzung möglichst minimieren. Der Unternehmer ist verpflichtet, den Auftraggeber auf die erforderliche Wartung hinzuweisen.

Im Gegensatz zur Wartung ist die Instandsetzung die Reparatur eines bestimmten Teils des Werkes. Sie bezieht sich gerade nicht auf die natürliche Abnutzung.

Durch die verschiedenen Begrifflichkeiten wird deutlich, dass Mängelhaftung, Abnutzung bzw. Verschleiß sowie Wartung strikt voneinander zu trennen sind.

  • Die Mängelhaftung betrifft die Frage, ob der Unternehmer sein Werk vertragsgemäß hergestellt hat.
  • Jedes Werk, unabhängig davon, ob es vertragsgemäß hergestellt wurde oder nicht, unterliegt der unvermeidbaren Abnutzung bzw. Verschleiß; eine Qualitätsminderung hierdurch stellt keinen Mangel dar;
  • Die Wartung dient im Ergebnis dazu, die Folgen der unvermeidbaren Abnutzung bzw. des Verschleißes zu minimieren, um das Werk möglichst lange ohne Einschränkungen nutzen zu können.

Gewährleistung

Das Werk muss bei der Abnahme mangelfrei sein. Es kommt daher nicht darauf an, welchen Zustand die Werkleistung ein, drei, fünf oder zehn Jahre später hat.

Zeigt sich innerhalb der Verjährungsfrist für Mängelansprüche ein Mangelsymptom, dann kommt es in Bezug auf die Frage, ob ein Mangel im rechtlichen Sinne vorliegt oder nicht, darauf an, ob eine Mangelursache feststellbar ist, die bereits zum Zeitpunkt der Abnahme vorlag, der Mangel also zum Zeitpunkt der Abnahme bereits angelegt war.

Die Gewährleistungsfrist, die mit der Abnahme beginnt, gilt für alle Mängel. Der Mangelbegriff setzt also nicht voraus, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Abnahme oder während der Gewährleistungsfrist erkennbar ist. Für den Beginn und den Ablauf der Gewährleistungsfrist spielt es keine Rolle, ob ein Mangel sichtbar ist und der Auftraggeber deswegen die Möglichkeit hat, vor Ablauf der Gewährleistungsfrist seine Mängelansprüche geltend zu machen. Es spielt also keine Rolle, ob ein Mangel versteckt ist und der Auftraggeber deswegen keine Chance hat, vor Ablauf der Gewährleistungsfrist seine Ansprüche durchzusetzen, oder für eine Hemmung der Gewährleistungsfrist zu sorgen. Alle Mängel, egal ob bekannt oder unbekannt, egal ob sichtbar oder, unterliegen der Gewährleistungsfrist.

Wird die Leistung nach der Abnahme – etwa durch Dritte – beschädigt und war die Leistung bei Abnahme selbst mangelfrei, liegt kein Gewährleistungsmangel vor. Eine Haftung käme hier nur bei Vorliegen einer sogenannten Beschaffenheitsgarantie in Betracht. Eine solche liegt vor, wenn der Unternehmer eine Haftung für einen bestimmten Zeitraum verspricht, unabhängig von einem Verschulden seinerseits. Solche Fälle sind in der Praxis aber eher selten.

Die Erkennbarkeit eines Mangels spielt nur eine Rolle bei der Abnahme selbst. Der Auftraggeber muss sich nämlich bei der Abnahme die Rechte hinsichtlich der von ihm erkannten Mängel vorbehalten. Anderenfalls verliert er nach § 640 Abs. 2 BGB seine Mängelrechte mit Ausnahme der verschuldensabhängigen Schadensersatzansprüche.

Der Auftraggeber trägt nach der Abnahme die Beweislast, d. h. er muss im Streitfall nachweisen, dass ein Mangel des Unternehmers vorliegt. Die Beweislast ist eine prozessuale Regelung, d. h., sie kommt bei Gericht zu tragen, wenn es darum geht, wer eine Behauptung zu beweisen hat und zu wessen Lasten eine Entscheidung ausgeht, wenn kein Beweis mehr erhoben werden kann (sogenanntes non liquet). Ein Auftraggeber muss hingegen bei der Mängelrüge selbst nicht den Nachweis der Mangelhaftigkeit führen. Es besteht insofern auf der Darlegungsebene keine Pflicht dazu, die Ursachen eines Mangels im Einzelnen vorzutragen. Folgerichtig kann von einem Auftraggeber auch nicht verlangt werden, irgendwelche Mangelursachen auszuschließen. Die irrtümliche Falschangabe einer Mangelursache ist daher unschädlich.

Der Auftraggeber muss bzw. darf dem Unternehmer auch nicht vorgeben, welche konkreten Nacharbeiten er auszuführen hat, sondern es ist grundsätzlich Aufgabe und Recht des Unternehmers, die Art und Weise der Mängelbeseitigung zu bestimmen. Der Auftraggeber muss den Unternehmer im Rahmen der Mängelrüge auch nicht darauf hinweisen, inwieweit die Mangelsymptome – bei mehreren insoweit als Ursache in Betracht kommenden Gewerken – gerade auf der Mangelhaftigkeit seiner Leistungen beruht.

Es reicht die Beschreibung des sogenannten Mangelsymptoms. Der Unternehmer ist sodann verpflichtet, einer solch substantiierten Mängelrüge nachzugehen.

Ein typischer Gewährleistungsmangel hat daher folgende Merkmale:

  • Er wurde bei der Abnahme nicht erkannt;
  • die Mangelhaftigkeit war bereits bei der Abnahme angelegt; sowie
  • die Mängelrüge erfolgt substantiiert (Beschreibung des Symptoms) während der Gewährleistungszeit.

Darin wird deutlich, dass jeder Gewährleistungsmangel „versteckt“ ist, weil er gerade bei der Abnahme nicht sichtbar war und erst nach der Abnahme während der Gewährleistungszeit erkennbar wird. Nach Ablauf dieser Zeit sind Ansprüche aus der Mangelhaftigkeit des Werkes verjährt.

Wenn in einen Bauvertrag die VOB/B einbezogen wird, kann eine schriftliche Mängelrüge zudem zu einer Verlängerung der Gewährleistungsfrist führen. Nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B setzt eine schriftliche Mängelrüge eine eigenständige Verjährungsfrist von zwei Jahren in Gang. Voraussetzung für den Eintritt der aufgezeigten Unterbrechungswirkung ist aber immer, dass das schriftliche Mangelbeseitigungsverlangen nach der Abnahme innerhalb der Verjährungsfrist gestellt wird. Bedeutung hat diese „Quasi-Unterbrechung“ also vor allem in den Fällen, wenn sie kurz vor Ablauf der Regelgewährleistungsfrist ausgesprochen wird. Rügt beispielsweise ein Auftraggeber einen Mangel vier Jahre nach der Abnahme bei einer vereinbarten fünfjährigen Gewährleistungsfrist, führt die Mängelrüge zu einer einjährigen Verlängerung der Gewährleistungsfrist für Ansprüche aus dem gerügten Mangel, weil die Rüge eine eigenständige zweijährige Frist in Gang gesetzt hat.

Den gesonderten Fall des „versteckten“ Mangels gibt es daher nicht. Einzige Ausnahme von diesem Grundsatz stellt ein arglistig verschwiegener Mangel dar.

Ein Mangel wird arglistig verschwiegen, wenn der Unternehmer den Mangel oder die für den Mangel ursächliche vertragswidrige Ausführung kennt und weiß, dass die Kenntnis über den Mangel für den Auftraggeber bei der Abnahme erheblich ist, der Unternehmer den Auftraggeber aber dennoch nicht darüber in Kenntnis setzt. Die Arglist resultiert dabei aus dem Verstoß des Unternehmers gegen den im Rechtsverkehr gebotenen Grundsatz von Treu und Glauben. Weiß der Unternehmer von dem Mangel und dessen Erheblichkeit und setzt den Auftraggeber darüber nicht in Kenntnis, ist ein solcher Verstoß anzunehmen. In diesen Fällen besteht eine Haftung des Unternehmers auch über die Gewährleistungszeit hinaus. Die Ansprüche aus Arglist verjähren eigenständig binnen drei Jahren ab Kenntnis des arglistigen Verhaltens bzw. in einer Höchstfrist von zehn Jahren. Beweispflichtig für das Vorliegen von Arglist ist der Auftraggeber.

Verschleiß stellt keinen Mangel des Werkes dar, weil es sich insoweit nicht um einen bei der Abnahme angelegten Mangel handelt. Auch die Folgen einer unterbliebenen oder nicht fachgerechten Wartung stellen keinen Mangel dar. Eine unterbliebene oder nicht fachgerechte Wartung kann allerdings zu einer Haftung des Unternehmers führen, wenn er seine Hinweispflicht in Bezug auf die regelmäßige und fachgerechte Wartung verletzt hat.

Fazit

Das bedeutet für die eingangs vorgestellten Fälle folgendes:

Fall 1: Die Gewährleistungszeit ist abgelaufen. Dass der Mangel „versteckt“ war, ist unerheblich. Ein Anspruch wegen des Mangels kann nicht mehr geltend gemacht werden. Etwas Anderes würde nur gelten, wenn der Auftraggeber dem Unternehmer arglistiges Verschweigen nachweisen könnte.

Fall 2: Hier kommt es darauf an, was Ursache des Heizungsausfalls ist. Liegt die Ursache in einer fehlerhaften Leistung des Unternehmers, war der Mangel somit bereits bei der Abnahme angelegt, haftet der Unternehmer. Wenn ursächlich die unterlassene Wartung ist, haftet der Wartungsunternehmer. Wenn die unterlassene Wartung den ursprünglichen Mangel verschlimmert hat, kann auch eine Haftung beider Unternehmer in Betracht kommen. Im Übrigen kann eine Haftung des Unternehmers bestehen, wenn er den Auftraggeber nur unzureichend über die Wartungspflichten aufgeklärt hat.

Fall 3: Der Auftraggeber kann Ansprüche gegen den Unternehmer geltend machen, obwohl die Gewährleistungszeit abgelaufen ist. Das liegt aber nicht daran, dass der Mangel versteckt war, sondern weil dieser vom Unternehmer arglistig verschwiegen wurde. Für Ansprüche in Bezug auf den Mangel beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem der Auftraggeber ihn bemerkt oder bemerken müsste, eine Verjährungsfrist von drei Jahren zu laufen.

Fall 4: Allein der Umstand, dass ein anderer Unternehmer in das eigene Gewerk eingegriffen hat, lässt nicht per se die Gewährleistung erlöschen. Der Unternehmer ist vielmehr auch in diesen Fällen verpflichtet, der Mängelrüge nachzugehen, d. h. vor Ort zu prüfen, ob eine mangelhafte Leistung vorliegt. Der Umstand, dass die Leistung verändert wurde, kann zu einer ungünstigen Beweissituation des Auftraggebers führen, wenn der Unternehmer einwendet, dass bei den in Betracht kommenden Leistungen der ursprüngliche Zustand nicht mehr vorhanden ist.

Praxistipps

Ein Unternehmer, der eine substantiierte Mängelrüge erhält, also ein Schreiben, in dem konkret das Mangelsymptom beschrieben ist, sollte vor einer Ablehnung eines Mangels zumindest vor Ort den Zustand einmal überprüfen. Damit ist er seiner Vertragspflicht nachgekommen, einer Mängelrüge nachzugehen und in der Lage, eine Ablehnung konkret zu begründen. Eine vorschnelle Ablehnung kann zu vermeidbaren Gerichtsprozessen führen, die insbesondere bei Aufklärung von Mängelsymptomen mit erheblichen Sachverständigenkosten einhergehen.

Auftraggeber sollten die Gewährleistungsfristen sorgfältig im Blick behalten. Eine Gewährleistungsverlängerung wegen eines versteckten Mangels gibt es nicht bzw. Voraussetzung wäre stets der Nachweis von arglistigem Verhalten, der in der Praxis nur schwer zu führen ist. Eine Verlängerung kann sich aber durch eine schriftliche Mängelrüge ergeben.

Literatur

Volker Schmidt, Die unsterbliche Legende vom versteckten Mangel in NJW Spezial 2013, 620 Symptomtheorie, Beschreibung des Mangels, BGH, Urteil vom 28.10.1999 – VII ZR 115/97

Gesamtschuldnerische Haftung mehrere Unternehmer für einen Mangel; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.10.2015 – 22 U 57/15


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